Menü X

Seit 120 Jahren treffen sich die Bünder:innen im Waldschlösschen

Stadthistoriker stößt im Archiv zufällig auf Eröffnungsdatum

24.05.2022

Bünde. Einst Ausflugslokal, heute Treffpunkt für die Nachbarschaft: Das Waldschlösschen an der Stauffenbergstraße ist ein Wahrzeichen in Hunnebrock. Doch erst seit Kurzem ist klar, wann genau die ersten Gäste vorbeischauen durften.

Möglich machte das ein Zufallsfund: Im Archiv stieß Jörg Militzer auf eine Zeitungsmeldung. „Wittemeyers Holz war für die Bünder von jeher ein beliebter Ausflugsort. In Zukunft wird dies noch mehr als bisher der Fall sein“, heißt es dort, „denn fehlte bis dahin noch ein Plätzchen zum Ausruhen und zum Erquicken, so ist dem Mangel nun durch ein mit allem Komfort der Neuzeit ausgestattetes Restaurant ausgeholfen.“ Veröffentlicht wurde diese Meldung am 17. Mai 1902. In einer zusätzlichen geschalteten Anzeige wurde der Eröffnungstag dann mit dem darauffolgenden Pfingstsonntag, also dem 18. Angegeben, wie Jörg Militzer weiter herausfand. Bekannt ist er vor allem als Experte für Orts- und Regionalgeschichte und als Bünder Stadtführer. 

Optische Gestaltung bewusst prunkvoll

Heute gehört das Waldschlösschen zur Ev. Jugendhilfe Schweicheln. Schon lange ist Jörg Militzer dem Gebäude eng verbunden, er hat dort selbst viele Jahre als Ehrenamtlicher mitgearbeitet. „Wir haben beispielsweise das Zeitzeug:innen-Kaffeetrinken, Ferienspiele, Grünkohlessen oder das ‚legendäre‘ Schlosstheater organisiert. Umso erfreuter war ich über den Fund der Pressemeldung“, sagte der Stadthistoriker.

Die optische Gestaltung des Restaurants sei bewusst prunkvoll angelegt worden. Es sollte an ein Schloss erinnern, um sich von anderen Lokalitäten abzuheben und ein attraktives Ausflugsziel für die Bürger:innen der Region darzustellen. Früher sah das Gebäude noch etwas anders aus: Der hintere Saal fiel laut Militzer im Februar 1944 einem Bombenhagel zum Opfer. Nach dem Krieg wurde der Betrieb als Ausflugslokal wiederaufgenommen.

Gerücht um Queen-Besuch

Bis 2003 fungierte das Schlösschen als Kneipe. Es habe immer wieder Wirtswechsel gegeben, sagte Militzer. Im Laufe der Jahre seien viele Anekdoten um den Bau entstanden. „So hieß es zum Beispiel, dass selbst die Queen hier gewesen sein soll“, sagte Militzer. Der Gedanke liege nahe, schließlich seien die ehemaligen „Briten-Häuser“ nicht weit entfernt. „Allerdings stimmt das so nicht“, schob der Ortshistoriker hinterher. Genau genommen sei mit der Princess Royal Mary, Countess of Harewood, nur eine Tante der noch heute amtierenden Königin in Hunnebrock zu Gast gewesen.

Heute ist das Waldschlösschen zwar keine Kneipe mehr, aber immer noch Treffpunkt für Menschen aus der Umgebung. 2006 kaufte die Ev. Jugendhilfe Schweicheln das denkmalgeschützte Objekt aus dem Privatbesitz der Familie Styra. Das Gebäude wurde renoviert und beherbergt seitdem im ersten Geschoss eine pädagogische Tagesgruppe für Kinder ab sechs Jahren. Dort war Militzer bis zum Ausbruch der Pandemie regelmäßig als Weihnachtsmann zu Gast.

Platz fürs Ehrenamt

In den Räumen im Erdgeschoss ist Platz für ehrenamtliches Miteinander. „Der Treffpunkt hier ist ein wunderbares Ausflugsziel mit einem vielfältigen Programm für Jung und Alt. Besonders beliebt ist das Kaffeetrinken jeden Mittwoch und dritten Sonntag im Monat“, sagte Bettina Kröger von der Ev. Jugendhilfe Schweicheln. Sie koordiniert die Gruppen und Aktivitäten im Schlösschen. „Mittlerweile haben wir sogar einen Abholservice für Senior:innen organisiert, damit auch jeder die Möglichkeit hat, an den Veranstaltungen teilzunehmen.“

Außerdem haben im Hunnebrocker Traditionshaus eine Gitarrengruppe, die Nachbarschaftshilfe Tauschrausch sowie ein Repair Café ein Zuhause gefunden. Ergänzt wird das Programm durch musikalische Auftritte oder Autor:innenlesungen. „Eines ist uns ganz wichtig: Wir sind ein Stadtteilzentrum“, sagte Bettina Kröger. „Bünder:innen sollen hier die Möglichkeit haben, sich zu treffen.“ Schließlich sei das auch vor 120 Jahren schon das Ziel gewesen.