Fachtag Kinderschutz 2023
in gemeinsamer Verantwortung von Jugendhilfe und Familiengericht
Wann? Montag, 08. Mai 2023
Uhrzeit? 9.30 Uhr bis 16.00 Uhr
Wo? Festsaal der Ev. Jugendhilfe Schweicheln, Matthias-Siebold-Weg 4, 32120 Hiddenhausen
Inhalt
Zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe gehört es u.a., Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen. Ein Baustein dafür ist § 8a SGB VIII. Er strukturiert in einer Art To-do-Liste das fachliche Vorgehen im Kinderschutz. Im Falle einer (drohenden) Kindeswohlgefährdung, hat das Jugendamt den Erziehungsberechtigten zu deren Abwendung geeignete öffentliche Hilfen anzubieten und - sofern es zum Schutz des Kindes erforderlich ist - das Familiengericht anzurufen. Die Freie Jugendhilfe ist über Vereinbarungen ebenfalls in die Aufgabe eingebunden.
Familiengericht und Jugendamt bilden im Kinderschutz eine Verantwortungsgemeinschaft, zu der in den jeweiligen Einzelfällen ebenfalls die Träger der Freien Jugendhilfe gehören. Dem Familiengericht ist es dabei über § 1666 Abs. 3 BGB vorbehalten, Eltern im Falle einer Kindeswohlgefährdung Gebote bzw. Verbote zu erteilen, Sorgeerklärungen zu ersetzen sowie das Sorgerecht teilweise oder ganz zu entziehen. Darüber hinaus hat es nach § 157 Abs. 1 FamFG die Möglichkeit, bereits bei einer sich androhenden Gefährdungssituation, gemeinsam mit den Sorgeberechtigten und sofern möglich mit dem betroffenen Kind zu erörtern, wie dieser, insbesondere durch die Annahme öffentlicher Hilfen, begegnet werden und welche Folgen das Ablehnen notwendiger Hilfen nach sich ziehen kann.
Für einen funktionierenden Kinderschutz haben Jugendamt und Familiengericht kooperativ zusammen zu arbeiten.
Der Fachtag beleuchtet beide Seiten der Verantwortungsgemeinschaft und hat zum Ziel, die Handlungssicherheit der Fachkräfte im Kinderschutz, einschließlich der Freien Jugendhilfe, zu erhöhen.
Ablauf
9.30 |
Ankommen und Steh-Café |
10.00 |
Begrüßung Ralf Mengedoth (Leiter der Ev. Jugendhilfe Schweicheln) |
10.15 |
1. Fachvortrag Grundlagen des Kinderschutzes Prof. Dr. Christof Radewagen (Hochschule Osnabrück) In der Praxis müssen die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe in der Lage sein, beim Vorliegen gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung, eine inhaltlich fundierte, theoriegeleitete Gefährdungseinschätzung vorzunehmen. Doch was sind gewichtige Anhaltspunkte genau und wie identifiziert man sie? Wie beschreibt man theoriegeleitet Gefährdungssituationen und wie bildet man fachlich fundierte Prognosen hinsichtlich des weiteren Fallverlaufs? Der Vortrag beleuchtet den Schutzauftrag des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung aus verschiedenen Perspektiven. Erziehungsfähigkeit wird dabei als Komplementärbegriff zur Kindeswohlgefährdung gesehen, d.h. mangelnde Erziehungsfähigkeit führt in der Regel zu einer Kindeswohlgefährdung und ist auf ein Defizit an Erziehungskompetenzen zurückzuführen. Um dies in der Praxis gut herauszuarbeiten und den effektiven Schutz für Kinder- und Jugendliche sicherstellen zu können, werden die Grundbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit der Erziehungsfähigkeit in Zusammenhang gebracht und zentrale Gefährdungsmerkmale isoliert. Es entsteht eine sogenannte Kinderschutzmatrix, die auch im System bestehende Risikofaktoren mit aufgreift und ihre Wirkung auf das Kind/die*den Jugendlichen und seine*ihre Situation berücksichtigt. |
11.15 |
Nachfragen zum Vortrag |
11.30 |
Pause |
12.00 |
2. Fachvortrag Neuregelung der Verbleibensordnung durch das KJSG: Ist jetzt alles gut? Ingo Socha (Richter am Amtsgericht Lübeck) Das Bundesverfassungsgericht hat seit 2014 immer wieder betont, dass der Staat verpflichtet sei, durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, Kindern und Jugendlichen, die durch staatliches Handeln von ihren Herkunftsfamilien getrennt wurden eine Rückführungsperspektive offenzuhalten (grundlegend BVerfG v. 22.05.2014 – 1 BvR 2882/13, FamRZ 2014, 1266). Demgegenüber betonen Jugendämter und freie Träger das Bedürfnis des Kindes nach Stabilität und Kontinuität. Dies soll möglichst rechtlich abgesichert werden; die betroffenen Kinder und Jugendlichen sollen nicht immer wieder erneut in Gerichtsverfahren mit der Frage einer Rückkehr befasst werden. Ein Mittel dazu ist eine gerichtliche Verbleibensanordnung nach § 1632 BGB. Mit Wirkung zum 10.06.2021 hat der Gesetzgeber diese Vorschrift überarbeitet und ein neues Rechtsinstitut, die „Dauerverbleibensanordnung" geschaffen. Gleichzeitig wurde § 1696 BGB angepasst, also die Vorschrift, die regelt, unter welchen Voraussetzungen das Gericht seine Entscheidungen ändern darf. Welche Auswirkungen hat dies für die betroffenen Kinder oder die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht? Schafft der Gesetzgeber Kontinuität oder lädt er zu Experimenten ein? |
13.00 |
Nachfragen zum Vortrag |
13.15 |
Mittagspause |
14.00 | Austausch bezogen auf die unterschiedlichen Praxisfelder (Wohngruppen, SPFH, OGSen etc.) in moderierten Gesprächsgruppen |
15.00 | Pause |
15.30 | Rückmeldungen aus den Gesprächsgruppen und Abschluss |
16.00 | Ende der Fachtagung |
Referenten
Prof. Dr. Christof Radewagen
Hochschule Osnabrück
Leitung des Studiengangs Soziale Arbeit, Leitung des Kinderschutz-Kompetenzzentrums und war Mitglied der niedersächsischen Lüdge-Kommission
Ingo Socha
Richter am Amtsgericht Lübeck
und Fachbuchautor („Vormundschaft und Pflegschaft in der Rechtspraxis)
Zielgruppe
Fachkräfte aus den unterschiedlichen Arbeitsfeldern der Freien und Öffentlichen Jugendhilfe sowie interessierte Familienrechtler:innen
Anmeldung und Kosten
Die Anmeldung für Mitarbeiter:innen der Ev. Jugendhilfe Schweicheln erfolgt über die bekannten Wege. Die Teilnahme ist kostenlos.
Externe Teilnehmer:innen können sich anmelden unter www.ejh-schweicheln.de/kinderschutz sowie per E-Mail an held@ejh-schweicheln.de oder tomas@ejh-schweicheln.de. Die Teilnahmekosten betragen 35,- Euro inkl. Verpflegung.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen unter Telefon 05221/960343 zur Verfügung.